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Bericht zum 11. Abendsymposium des Instituts für Insolvenz- und Sanierungsrecht (ISR) vom 12.04.2018

Am Donnerstag, den 12.04.2018, fand das 11. Abendsymposium des Instituts für Insolvenz- und Sanierungsrecht im Haus der Universität statt. Unter dem diesjährigen Dachthema „Strategische Entscheidungen in der Restrukturierung“ befassten sich Prof. Dr. Christoph Teichmann (Würzburg) und Prof. Dr. Stephan Madaus (Halle) speziell mit Fragen im Umfeld des sog. „Law-Shoppings“.

„Taktische Insolvenz" - Strategische Entscheidungen im Restrukturierungsprozess

Prof. Dr. Teichmann konzentrierte sich in seinem Vortrag auf grenzüberschreitende Sitzverlegungen und analysierte dafür zunächst die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit. Vor diesem Hintergrund fände die im deutschen Recht grundsätzlich geltende Sitztheorie in europarechtlichen Sachverhalten keine Anwendung mehr. Entscheidend sei hier das Gründungsrecht. Angesichts fehlender europarechtlicher Harmonisierung dürften die jeweiligen Mitgliedstaaten autonom regeln, welche Voraussetzungen sie an die territoriale Anknüpfung ihrer nationalen Gesellschaften stellen. Die Analyse der einschlägigen Rechtsprechung zeigte, dass der EuGH zwar einerseits bereits viele Fragen zur grenzüberschreitenden Sitzverlegung beantwortet habe. Andererseits sei jedoch bisher offengeblieben, ob die Niederlassungsfreiheit auch eine sog. isolierte Satzungssitzverlegung erfasst. Hierfür hat der EuGH sich nunmehr in der „Polbud“-Entscheidung vom 25.10.2017 ausgesprochen. Teichmann führte aus, dass eine identitätswahrende Satzungssitzverlegung insbesondere aus steuerrechtlichen Gründen oder aber, um etwaige öffentlich-rechtliche Genehmigungen nicht zu verlieren, sinnvoll sein könne.

Für die praktische Umsetzung einer solchen isolierten Satzungssitzverlegung müsse eine zweistufige Rechtmäßigkeitskontrolle erfolgen. Zunächst prüfe das nationale Gericht des Wegzugstaates die Rechtmäßigkeit des Gesellschafterbeschlusses hinsichtlich der Umwandlung unter Berücksichtigung der Interessen von Arbeitnehmern, Minderheitsgesellschaftern und Gläubigern und erteile sodann eine entsprechende Genehmigung. Daran anknüpfend prüfe das Gericht des Zuzugsstaates, ob der Gesellschaftsvertrag und die vorzunehmende Sachgründung rechtmäßig waren. Es komme daher zu einer sukzessiven Anwendung zweier Rechtsordnungen. Diese zweistufige Prüfung dürfe insbesondere nicht dadurch umgangen werden, dass die Registereintragung der Gesellschaft im Zuzugstaat analog gem. § 202 Abs. 3 UmwG zu einer Heilung führe. Der Referent kritisierte deshalb eine dahingehende Entscheidung des OLG Frankfurt (ZIP 2017, 611). Ein solches Verfahren bereite letztlich einem „Kapern von Gesellschaften“ den Weg, ignoriere Schutzinteressen und entspreche nicht der Rechtsprechung des EuGH.

„Formwechsel über die Grenze" - „Law Shopping" im Restrukturierungsrecht

Prof. Dr. Madaus widmete sich im zweiten Vortrag möglichen Auswirkungen auf die Restrukturierungspraxis. So sei nach der Polbud-Entscheidung der Zugang zu ausländischen Restrukturierungsinstrumenten noch leichter geworden. Zwar mache die EuInsVO den Zugang zu einer bestimmten nationalen Rechtsordnung davon abhängig, dass sich in diesem Land auch das sog. centre of main interest (kurz: COMI) befinde. Hierfür sei erforderlich, dass an dem Ort für Dritte feststellbar Verwaltungsentscheidungen getroffen werden. Dadurch sei es relativ einfach, Zugang zu ausländischen Planverfahren (sog. schemes) zu erhalten.

Madaus verglich sodann verschiedene ausländische schemes und hob besonders die Attraktivität des irischen examinership hervor. Dieses verknüpfe Elemente der Eigenverwaltung mit einem Schutzschirm- und einem Insolvenzplanverfahren. In den Niederlanden gebe es mit dem Dutch Scheme ähnliche Bestrebungen; allerdings sei bisher lediglich ein Regelungsvorschlag gemacht worden, der der Umsetzung durch den Gesetzgeber harre.

Im letzten Teil des Vortrags wendete Madaus sich dem „re-import“ der Verfahrensergebnisse zurück nach Deutschland zu, also der Frage der Anerkennung durch deutsche Gerichte. Dies sei jedoch unproblematisch, da nach Artt. 19, 32 AEUV deutsche Gerichte zur Anerkennung von Gerichtsentscheidungen anderer Mitgliedstaaten verpflichtet seien. Jenseits des ordre-public-Einwands bestünde keinerlei Kontrollbefugnis deutscher Gerichte. 

Zusammenfassend kam Madaus daher zu dem Ergebnis, dass die jüngste „Polbud“-Entscheidung den Zugang zu einem europäischen Restrukturierungswettbewerb nochmals deutlich vereinfacht habe. Sowohl die Verlagerung des COMI als auch der „re-import“ von Verfahrensergebnissen seien ohne größeren Aufwand und Kosten möglich. Als Fazit appellierte er an den deutschen Gesetzgeber, bei der Umsetzung einer Restrukturierungsrichtlinie weitreichende Lösungen zu entwickeln, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Ein zu starker Fokus auf Vorhandenes könnte einen Restrukturierungstourismus weg von Deutschland und hin ins europäische Ausland fördern.

In der anschließenden Diskussion wurde insbesondere die Rolle der Richterschaft angesprochen und die Frage aufgeworfen, ob in Deutschland an den Insolvenzgerichten eine hinreichende Fachkompetenz vorhanden sei, um zukünftig auch ausländische Unternehmen zu einem Restrukturierungsverfahren in Deutschland zu bewegen. 

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