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Bericht zum 4. Abendsymposium des ISR am 28.01.2015

Am Mittwoch, den 28. Januar 2015, fand das 4. Abendsymposium des Instituts für Insolvenz- und Sanierungsrecht (ISR) statt, das dem Strafrecht gewidmet war. Rechtsanwalt Professor Dr. Jürgen Wessing referierte über das Thema "Strafrecht als Sanierungshindernis?". Für den Referenten Staatsanwalt Hofmann, der seine Teilnahme an der Veranstaltung absagen musste, übernahm kurzfristig Herr Rechtsanwalt Dr. Heiko Ahlbrecht (undefinedWessing & Partner Rechtsanwälte mbB) die Aufgabe, einen Überblick über die in Betracht kommenden Straftatbestände und deren praktische Relevanz zu geben.

Professor Wessing konzentrierte sich nach einem kurzen Streifzug durch die Historie auf die strafrechtliche Kernvorschrift § 283 StGB. Bei § 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB handele es sich um einen generalklauselartigen Auffangtatbestand, durch den die Strafbarkeit erweitert worden sei. Die objektive Bedingung der Strafbarkeit sei bei § 283 StGB erfüllt, wenn das Unternehmen die Zahlungen eingestellt habe oder ein Insolvenzverfahren eröffnet oder mangels Masse abgewiesen worden sei. Mit der Änderung der Eröffnungsgründe, insbesondere der Einführung des § 18 InsO und der damit verbundenen Erleichterung der Verfahrenseröffnung, trete die objektive Bedingung der Strafbarkeit früher ein. Lediglich der geänderte Überschuldungstatbestand (§ 19 InsO) besitze im Zusammenhang mit § 283 StGB kaum noch Relevanz. Ferner habe der Gesetzgeber mit dem Institut der Eigenverwaltung (§ 270 ff. InsO) und der damit verbundenen Verfügungsbefugnis des Insolvenzschuldners neue Tatanreize geschaffen. Nicht zuletzt seien die §§ 283 ff. StGB auf Verbraucher anwendbar, was zu einer Disharmonie zwischen § 283 StGB und § 288 StGB führe. Gleichwohl habe sich der Gesetzgeber bewusst gegen eine Reform des Insolvenzstrafrechts entschieden.

In prägnanter Weise typisierte Professor Wessing zwei Typen der Insolvenzstraftäter, denen gemeinsam sei, dass sie sich von Strafen nicht abschrecken ließen. Typus 1 glaube die Krise mit seinem persönlichen Einsatz überwinden zu können und denke daher nicht dran, dass sein Verhalten strafrechtlich relevant sein könnte. Typus 2 durchblicke die strafrechtliche Relevanz seines Verhaltens, sei aber überzeugt, strategisch entgegenwirken zu können.

Einen weiteren Schwerpunkt setzte Professor Wessing mit seinen Ausführungen zur Frage, inwieweit auch die rechtzeitige Antragstellung zu strafrechtlichen Problemen führen könne. Soweit der Schuldner wegen drohender Zahlungsunfähigkeit einen Insolvenzantrag stelle, um das Unternehmen über einen Insolvenzplan zu sanieren, sei dennoch die objektive Bedingung der Strafbarkeit (§ 283 Abs. 6 StGB) erfüllt und der Anwendungsbereich der Norm schon früher eröffnet. Dies führt nach Einschätzung von Herrn Professor Wessing dazu, dass Geschäftsführer von der Stellung des Insolvenzantrages wieder Abstand nehmen.

In seinem abschließenden Fazit schätzte der Referent die generalpräventive Wirkung des Insolvenzrechts als sinnvoll ein, sprach sich aber insgesamt für eine Harmonisierung von Insolvenzrecht und Strafrecht aus. Es sei erforderlich, dass bei rechtzeitiger Antragstellung Nebendelikte (wie Buchführungsdelikte) nicht der Strafbarkeit unterliegen. Zudem sollte auch bei einer erfolgreichen Sanierung die Strafbarkeit entfallen.

Rechtsanwalt Dr. Ahlbrecht beschrieb anknüpfend an seinen Vorredner zunächst, dass sich Ermittlungen und Anklagen in der Praxis vor allem auf Delikte nach § 266a StGB konzentrierten. Seien in den Gutachten und Berichten der Verwalter keine näheren Angaben zum Eintritt der materiellen Insolvenzreifen zu finden, schreckten die Staatsanwaltschaften häufig von der Ermittlung der Insolvenzreife zurück. Ausführlich thematisierte er sodann die strafrechtlichen Risiken des Insolvenzverwalters. Der einer Fürsorge- und Vermögensbetreuungspflicht unterliegende Insolvenzverwalter mache sich nach § 266 I StGB strafbar, wenn er werthaltige Ansprüche für die Insolvenzmasse nicht geltend mache. Problematisch seien zudem Sachverhalte, in denen einzelne Vermögenswerte oder das Unternehmen als Ganzes unter Wert veräußert würden. Auch wegen Geldwäsche (§ 261 StGB) soll sich der Verwertungsmaßnahmen betreibende Verwalter im Einzelfall strafbar machen können. Einen weiteren Schwerpunkt setzte der Referent mit seinen Ausführungen zu strafrechtlichen Risiken im Zusammenhang mit Übernahme von Betriebspflichten (z.B. unerlaubter Umgang mit Abfällen, § 326 StGB; unerlaubtes Betreiben von Anlagen, § 327 StGB).

Bezogen auf den Sanierungsberater sah Dr. Ahlbrecht vor allem das Risiko der Beihilfe zu Insolvenzdelikten sowie das Risiko, im Zusammenhang mit der Verhandlung eines Forderungsverzichts einen Betrug zu begehen. Zudem könnten auch strafrechtliche Risiken für Gläubigerausschussmitglieder bestehen.

Es folgte eine angeregte Diskussion zu strafrechtlichen Einzelproblemen sowie zu den strafrechtlichen Risiken bei Sanierungsmaßnahmen vor allem in Fällen der Eigenverwaltung.

Professor Wessing hat in NZI 2015, 913 ff. einen Aufsatz zu dem Thema "Strafrechtliche Risiken des Insolvenzverwalters beim Umgang mit Geldwäschesachverhalten" veröffentlicht.

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