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Eröffnungsveranstaltung des Instituts für Insolvenz- und Sanierungsrecht am 22.11.2013

Am 22.11.2013 fand mit zahlreichen Gästen aus Justiz, Ministerien, Anwaltschaft und Unternehmen die Eröffnungsveranstaltung des Instituts für Insolvenz- und Sanierungsrecht (ISR) unter dem Thema Sanierung aus dem Schutzschirmverfahren“ statt.

Für die Juristische Fakultät begrüßte Univ.-Prof. Dr. Jan Busche die Gäste im neuen „Haus der Universität“ am Schadowplatz und beschrieb die Tätigkeit der Institute der Fakultät als einen wichtigen Beitrag zur Verzahnung von Wissenschaft und Praxis in Forschung und Lehre, die sich die Juristische Fakultät seit ihrer Gründung vor fast 20 Jahren zur Aufgabe gemacht habe. Mit der Gründung des Instituts für Insolvenz- und Sanierungsrecht werde das wirtschaftsrechtliche Profil der Fakultät vervollständigt. Die Universität wurde durch ihren Prorektor für Strukturentwicklung Univ.-Prof. Dr. Alfons Schnitzler vertreten, der besonders würdigte, dass der weitere Forschungsschwerpunkt im Insolvenz- und Sanierungsrecht die intradisziplinäre Zusammenarbeit der Institute und Lehrstühle der Juristischen Fakultät fördere, beispielsweise durch Kooperationen des ISR mit dem Institut für Unternehmensrecht oder dem Lehrstuhl für Unternehmenssteuerrecht, Bilanzrecht und Öffentliches Recht. Darüber hinaus könne sich auch eine interdisziplinäre Kooperation mit verwandten Gebieten der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät ergeben. Der Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Thomas Kutschaty, ging in seinem Grußwort auf die praktische Umsetzung der aktuellen Reformen des Insolvenzrechts ein und betonte, welche Bedeutung vor dem Hintergrund zahlreicher Neuerungen dem Austausch zwischen Politik, Justiz und Wirtschaft, aber auch Wissenschaft und Forschung zukomme.

Im Anschluss stellte Univ.-Prof. Dr. Nicola Preuß dem Publikum das Arbeitsprogramm des ISR vor, das in der Aufbauphase von der Planung und Entwicklung eines Masterstudiengangs (LL.M.) bis zur Veranstaltung von Vortrags- und Diskussionsabenden und Tagungen zu Spezialproblemen des Insolvenz- und Sanierungsrechts reiche. Das Veranstaltungsprogramm des ISR werde für einen Zeitraum von ca. 2 Jahren ausgerichtet sein auf den Themenbereich „(Nachhaltige) Sanierung in der Insolvenz, untergliedert in die Themenblöcke „Sanierungsrecht – rechtliche Rahmenbedingungen und rechtliche Instrumente“, „Recht der Sanierer“ und „Neustart aus der Insolvenz“. Das Konzept, Vortragsveranstaltungen über einen gewissen Zeitraum auf ein übergreifendes Dachthema mit den skizzierten Schwerpunkten zu konzentrieren und im Laufe der Veranstaltungen Wechselbezüge zwischen den einzelnen Schwerpunkten herzustellen, verlange nach einer im Vorfeld geleisteten, begleitenden thematischen Ausdifferenzierung, die die Institutsleitung in Abstimmung mit dem Beirat des ISR erarbeite. Es folgten erste Einblicke in einige der avisierten Problemkomplexe und der Hinweis auf den Beginn der Veranstaltungsreihe mit einem Abendsymposium zum Thema „Masseverbindlichkeiten im Eröffnungsverfahren“.

Frau MinDir. Marie-Luise Graf Schlicker, Abteilungsleiterin im Bundesministerium der Justiz, referierte über die „Zukunft des Insolvenzrechts auf nationaler und europäischer Ebene“. In der Einleitung rief sie in Erinnerung, dass mit der Reform des Insolvenzrechts 1994 der „Konkurs im Konkurs“ weitgehend habe zurückgedrängt werden können, und schlug von hier den Bogen zu den jüngsten Reformgesetzen. Die Praxis gewöhne sich daran, mit den neuen Regelungen zu arbeiten, die mit dem „Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen“ (ESUG) zur Verfügung stünden. Hinsichtlich der im Eröffnungsverfahren greifenden Neuregelungen durch das ESUG berichtete Frau Graf-Schlicker, dass die Lösungen des deutschen Insolvenzrechts durchaus als Regelungsmodelle mit Vorbildcharakter wahrgenommen würden. Ein Problemgebiet, mit dem Praxis und Wissenschaft sich vor allem noch intensiv beschäftigen müssten, sei die Abstimmung zwischen Insolvenzrecht und Gesellschaftsrecht. Mit der zum 1.7.2014 in Kraft tretenden Reform des Restschuldbefreiungsverfahrens werde das deutsche Insolvenzrecht eine Möglichkeit eröffnen, bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen schneller eine Restschuldbefreiung zu erlangen. Vor dem Hintergrund etwaiger europäischer Harmonisierungsbestrebungen beispielsweise zur Gewährung der Entschuldung verwies Frau Graf-Schlicker darauf, dass bei einem Vergleich der Rechte nicht nur die Zeitpunkte, sondern ebenso die differierenden Voraussetzungen für den Eintritt der Entschuldung sowie der Umfang der Entschuldung zu betrachten seien. Als letztes Reformprojekt sprach sie das – nicht der Diskontinuität anheimgefallene – Gesetzgebungsvorhaben zur „Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen“ an. Bezogen auf die Zukunft des Insolvenzrechts auf europäischer Ebene gab sie zu bedenken, dass es – gerade im Hinblick auf Harmonisierungsbestrebungen – zu kurz gegriffen wäre, lediglich das Insolvenzrecht zu betrachten. Vielmehr sei die Verzahnung des Insolvenzrechts mit anderen Rechtsgebieten zu berücksichtigen, um die Auswirkungen einer Anpassung des Insolvenzrechts angemessen würdigen zu können. Letztendlich sei noch Einiges an Vorarbeit zu leisten sei, um die verschiedenen Lösungen der europäischen Rechtsordnungen effektiv vergleichen zu können.

Der zweite Teil der Eröffnungsveranstaltung war dem Thema „Das Leitbild des sanierten Unternehmens im Schutzschirmverfahren“ gewidmet. Niels Kuhlwein von Rathenow, Roland Berger Stratety Consultants, betonte in seinem Impulsreferat zu den betriebswirtschaftlichen Vorgaben die Notwendigkeit einer strategischen Restrukturierung. 

Michael Bremen, Rechtsanwalt und Vereidigter Buchprüfer, kam in seinem anschließenden Impulsreferat zur rechtlichen Umsetzung zu dem Ergebnis, dass das Insolvenzrecht sich auf die finanzwirtschaftliche Sanierung konzentriere. Das schließe jedoch einen weitergehenden und erforderlichen strategischen Sanierungsansatz nicht aus.

In der folgenden Podiumsdiskussion, die von Rechtsanwalt Horst Piepenburg moderiert wurde, berichtete Frank Pollmächer, Richter am AG Düsseldorf, über erste Erfahrungen mit Anträgen auf Eröffnung eines Schutzschirmverfahrens nach § 270b InsO. Zu einer antragsgemäßen Eröffnung des Schutzschirmverfahrens hätten die Anträge geführt, in denen sehr konkret und einzelfallbezogen zu den Voraussetzungen des § 270b InsO Stellung genommen wurde. Hans-Gerd Geloudemans, Deutsche Bank AG, äußerte sich zur Vertretung der Banken in Gläubigerausschüssen und wies in diesem Zusammenhang auf das persönliche Haftungsrisiko hin, das Mitarbeiter einer Bank eingehen, die in Gläubigerausschüssen mitwirken. Michael Bremen hob anknüpfend an sein Impulsreferat hervor, dass es um eine Sanierung aus dem Stadium materieller Insolvenz gehe und die insolvenzrechtlichen Regelungen auf das in § 1 InsO verankerte Ziel der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung ausgerichtet seien. Marie-Luise Graf-Schlicker, Bundesministerium der Justiz, stellte fest, dass Eingriffe in Gläubigerrechte, wie sie das Insolvenzrecht vorsehe, letztendlich ohne die Feststellung materieller Insolvenz nicht möglich seien. Damit reagierte sie zugleich auf Fragen aus dem Publikum zur Alternative eines vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahrens.

Univ.-Prof. Dr. Rainer Elschen, Universität Duisburg-Essen beschrieb plastisch, dass die Betriebswirtschaftslehre vor allem die Unternehmung „auf Reiseflughöhe“ im Auge habe, aber dem „Durchstarten“ der sinkenden Unternehmung eher wenig Aufmerksamkeit widme. Entscheidend sei nach seiner Ansicht vor allem die Stärkung des Vertrauens, um einen Neustart der Unternehmung zu ermöglichen, was von Niels Kuhlwein von Rathenow aus dem Blickwinkel der Praxis bestätigt wurde. Das Podium griff den Gedanken auf mit dem Hinweis auf die Bedeutung, die auch dem Vertrauen in sämtliche Akteure des Insolvenzverfahrens zukomme. Dieses Vertrauen müsse durch die Sicherstellung der Neutralität und die Qualifikation der Akteure gerechtfertigt werden.

Zum Ausklang der Eröffnungsveranstaltung des Instituts für Insolvenz- und Sanierungsrecht waren Mitwirkende und Gäste eingeladen, den Gedankenaustausch im Rahmen eines Get-together im Haus der Universität fortzusetzen.

(ISR)

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